Basierend auf der Psychoanalyse war und ist die Tiefenhermeneutik ein methodisches Verfahren der Psychologie zur Analyse von (literarischen) Texten. Auf der Grundlage, dass Textinhalte doppeldeutig sein können, d.h. manifesten (sprachlich vermittelten sozial geteilten Sinn) und latenten (unbewussten) Sinn enthalten, zielt die tiefenhermeneutische Analyse auf die „Enträtselung“ der latenten und damit eher im Unbewussten liegenden Bedeutungsgehalte. Klassiker sind hier beispielweise die Arbeiten des Sozialpsychologen Alfred Lorenzer. Seit den 1990er-Jahren findet die Tiefenanalyse zunehmend auch Anwendung in den Sozial- und Kulturwissenschaften, um qualitativ erhobene Forschungsdaten auszuwerten. Dabei nutzt die Tiefenhermeneutik die Subjektivität der Forschenden, das heißt deren Affekte, Assoziationen, Konflikte, Beziehungen, Fantasien, Wünsche, um Erkenntnisse zu gewinnen.
- Lorenzer, A. (1981): Zum Beispiel ‚Der Malteser Falke‘. Analyse der psychoanalytischen Untersuchung literarischer Texte. In: Urban, B. & W. Kudszus (Hrsg.): Psychoanalytische und psychopathologische Literaturinterpretation, 23-46. Darmstadt.
- Lorenzer, A. (1986): Tiefenhermeneutische Kulturanalyse. In: König, H.D. & A. Lorenzer (Hrsg.): Kultur-Analysen. Psychoanalytische Studien zur Kultur. Frankfurt a. M.: Fischer, 11-98.
- König, H. D. (1993): Die Methode der tiefenhermeneutischen Kultursoziologie. In: Jung, T & S. Müller-Doohm (Hrsg.): „Wirklichkeit“ im Deutungsprozeß. Verstehen und Methoden in den Kultur- und Sozialwissenschaften. Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 190-222.
- König, J., N. Burgermeister , M. Brunner, P. Berg & H.-D. König (Hrsg.): Dichte Interpretation: Tiefenhermeneutik Als Methode Qualitativer Forschung. Wiesbaden: Springer VS.
Haubl, R. & J. Lohl (2017): Tiefenhermeneutik als qualitative Methode. In: Mey, G. & K. Mruck (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschung in der Psychologie. Heidelberg: Springer, 1-22. - Maier, G. (2016): Das Allgemeine im Besonderen. Alfred Lorenzers Tiefenhermeneutische Kulturanalyse zur Erforschung der Psychodynamik einer Mutter nach der Frühgeburt. In: Wintzer, J. (Hrsg.): Qualitative Methoden in der Sozialforschung. Forschungsbeispiele von Studierenden für Studierende. Heidelberg: Springer, 47-54.