Wenn Menschen über Ereignisse, Meinungen, Entscheidungen, persönliche Eindrücke, Emotionen usw. sprechen, dann berichten sie nicht, sondern sie erzählen. Das heißt erstens, dass Ereignisse usw. nicht kontextfrei und zweitens nicht unvoreingenommen/vorurteilsfrei zum Ausdruck gebracht werden. Drittens werden Ereignisse usw. in eine bestimmte Reihenfolge gebracht, um sozusagen nachvollziehbar für sich selbst und andere Ereignisse usw. verständlich zu machen. Die Narrationsanalyse ist ein Verfahren (hauptsächlich) der Biographieforschung, das basierend auf der Erzähltheorie von Fritz Schütze– meistens basierend auf dem narrativen Interview – Erzählungen nicht in dem Sinne zu verstehen versucht wie sie waren oder sind, sondern wie sie den Erzählenden erscheinen/erschienen zu sein. Rekonstruiert werden Geschehnisse somit aus der Sicht der Teilnehmenden. In geographischen und raumsensiblen Forschungskontexten nimmt die Narrationsanalyse eine geringe Bedeutung ein; jedoch trägt sie aus disziplinhistorischer Perspektive dazu bei zu verstehen, wie Disziplinen (wie beispielsweise die Geographie) narrativ erschaffen werden, um zum Beispiel unrühmliche Vergangenheiten (Kolonialismus) zu überwinden und eine moderne Disziplin zu erschaffen.
- Kleemann, F., U. Krähnke & I. Matuschek (2009): Narrationsanalyse. In: ders. (Hrsg.): Interpretative Sozialforschung. Heidelberg: Springer, 63–110.
- Schütze, F. (1976): Zur Hervorlockung und Analyse von Erzählungen thematisch relevanter Geschichten im Rahmen soziologischer Feldforschung. In: Arbeitsgruppe Bielefelder Soziologen (Hrsg.): Kommunikative Sozialforschung. München: Wilhelm Fink, 159–260.
- Lois, C. (2018): The history of geography: narratives to discipline the past and reinvent geography as a modern discipline. In: Isis 109, 1, 112–115.
- Ryan, M.-L., K. Foote & M. Azaryahu (2016): Narrating space / spatializing narrative: Where narrative theory and geography meet. Columbus: The Ohio State Universitiy Press.
- Schütze, F. (1987): Das narrative Interview in Interaktionsfeldstudien. Erzähltheoretische Grundlagen. Teil 1: Merkmale von Alltagserzählungen und was wir mit ihrer Hilfe erkennen können. Hagen: Fernuniversität Hagen.